Der Förderturm

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Der von Alfred Fischer geplante und 1929 fertiggestellte Förderturm der ehemaligen Schachtanlage Königsborn III/IV gilt als bedeutendes Dokument der architekturgeschichtlichen Entwicklung im Industriebau der zwanziger Jahre. Er verkörpert den Übergang zum Funktionalismus und wurde zum Vorbild der meisten modernen Fördertürme. Sein Architekt Alfred Fischer zählt neben Fritz Schupp zu den wichtigsten Industriearchitekten im Ruhrgebiet.

Der ehemalige Förderturm Königsborn III/IV bietet als Industriedenkmal eine einzigartige Innenarchitektur. Bis zu einer Höhe von 55m ist der Innenraum zu Fuß über Treppen begehbar. Der Turm wird in der Höhe durch verschiedene Zwischenebenen gegliedert. Jede dieser Ebenen bietet eine besondere und einzigartige Atmosphäre.

Über achtzig Jahre prägte der Bergbau das Leben der Menschen in der Gemeinde Bönen, so dass der Förderturm Königsborn III/IV einen bedeutenden Teil der Geschichte der Gemeinde repräsentiert.

Am 7. August 1999 präsentierte Mischa Kuball die von ihm geplante Lichtkunst Yellow Marker. In der Gemeinde Bönen hat das von Kuball vorgestellte Konzept zur künstlerischen Gestaltung des Förderturms viele Aktivitäten in Gang gesetzt.

Kleine Turmgeschichte

Der Förderturm gehörte zur ehemaligen Zeche Königsborn III/IV in Altenbögge-Bönen.

1873
Friedrich Grillo erwirbt für eine Million Mark die Saline Königsborn (Unna) und die Abbaurechte für das vorhandene Steinkohlefeld.

1901
Mit der Teufe des Schachts IV in Altenbögge wird begonnen.

1923
Fusion zwischen der Aktien-Gesellschaft Königsborn und den Klöckner-Werken (A.G.) – das Vermögen der Aktien-Gesellschaft Königsborn geht auf die Klöckner-Werke über.

1929
Der vom Architekten Alfred Fischer geplante Förderturm über Schacht IV wird fertiggestellt.

1939-1945
Während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft litten über 1.780 Zwangsarbeiter/innen unter den unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen auf der Zeche Königsborn III/IV.

1930 – 1980
In Spitzenzeiten arbeiteten rund 4.000 Menschen auf der Zeche Königsborn III/IV und der Schacht IV förderte bis zu 600 Tonnen Kohle pro Stunde.

15. Mai 1981
Der Abbau wird eingestellt, und der Schacht IV dient bis zu seinem geplanten Abriss zur Wasserhaltung.

27. Februar 1990
Der Turm wird Denkmal und der geplante Abriss durch den aktuellen Besitzer, die Ruhrkohle AG, wird verhindert.

Februar 1997
Das eingesparte Geld für die Abrisskosten soll für den Erhalt des Turmes eingesetzt werden.
IBA-Chef Professor Ganser fordert weitere Schritte für den Erhalt.

7. August 1999
Mischa Kuball präsentiert die Lichtkunst „Yellow Marker“.

November 1999
Der Förderverein Zeche Königsborn III/IV wird gegründet.

2000
Die LEG (Landesentwicklungsgesellschaft NRW) wird Eigentümer des Turmes. Die RAG bleibt involviert, da nicht ausgeschlossen werden kann, das Methangas aus dem ehemaligen Schacht austritt.

2003
Die Bürgerstiftung Förderturm wird gegründet.
Kulturelles Leben hält Einzug in den Turm.

Bis heute
Der Förderverein kümmert sich um die Instandhaltung und führt durch den Turm.
Die Bürgerstiftung kümmert sich um die Vermietung und die Etablierung kultureller und sozialer Aktivitäten.

Bauliche Daten
Höhe des Turms: 68 m
Zu Fuß begehbar: bis 55 m
Tiefe untertage: 1007 m
Fläche des Turms: 14 m x 20 m
Fläche der Schachthalle: 24 m x 33 m

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Der Architekt

fischer

Mit über 150 Gebäuden hat Professor Alfred Fischer das architektonische Gesicht des Ruhrgebietes entscheidend mitgeprägt. Als bekanntestes Bauwerk gilt der 1929 erbaute KVR-Verwaltungssitz.

1911 nach Essen berufen, setzte Fischer als Architekt und als Direktor der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bau-Maßstäbe.

Zu den imposantesten Bauwerken, die aus der Ideen-Werkstatt von Professor Alfred Fischer stammen, zählt der Förderturm der ehemaligen Zeche Königsborn III/IV in Bönen. Der Förderturm in Bönen ist ein herausragendes Zeichen der regionalen Industriearchitektur und markiert den Ausgang des östlichen Ruhrgebietes.

Quelle Abbildung: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Berlin, 1930

Gedenken

Gedenken

Während des Betriebs der Zeche Königsborn verunglückten fast 300 Bergleute tödlich.
Ihnen zu Gedenken schufen internationale Studenten in einem Projekt mit dem Goin eine Skulptur aus 300 im Schachtgerüst hängenden Papiertauben.
Eine Liste der bei der Arbeit verstorbenen Bergleute führt der Förderverein auf seiner Internetseite.

Zwangsarbeit


Ausmaß

In den ehemaligen 8 Ortschaften der heutigen ­Gemeinde Bönen haben zur Zeit des Zweiten Weltkriegs (1939 – 1945) nach heuti­gen Erkenntnissen (Stand: März 2018) 2.603 Menschen aus 15 Nationen unter Zwangsarbeit ­gelitten: Kriegsgefangene und ­zivile ­Arbeitskräfte unter Einschluss ihrer ­Kinder. Das waren ca. 25 % der damaligen Gesamt-Einwohnerzahl, in Altenbögge wegen des ­Arbeitsplatzes „Königsborn III/IV“ (1.781 aus­ländische Arbeitskräfte) über 40 %.

Der obige Videoloop nennt die Namen der zur Zwangsarbeit gepressten Menschen und der von der Zwangsarbeit ihrer Eltern betroffenen Kinder.

Einsatz
756 ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren in der Landwirtschaft, bei der Deutschen Reichsbahn, im örtlichen Handwerk, Handel und Gewerbe und in privaten Haushalten eingesetzt. Die zivilen Arbeitskräfte wurden zum größten Teil als „Kriegsbeute“ gewaltsam rekrutiert, aus ihrer Heimat nach Deutschland ­verschleppt und zur Zwangsarbeit gepresst.

Herkunft, Geschlecht, Familienstand und Alter
Die Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter und die Kriegsgefangenen wurden nach ihrer Herkunft und nach politischen und rassenideologischen ­Gesichtspunkten in eine Rangordnung gebracht und entsprechend schlecht oder gar unmenschlich ­behandelt.
Den größten zahlenmäßigen Anteil an den „Fremd­völkern“ hatten Polen und „Russen“ („Ostarbeiter“). Unter den zivilen Zwangs­arbeiterinnen (knapp 10 %) und Zwangsarbeitern gab es Verheiratete mit Kindern und ohne, bereits als Familie nach Deutschland verbracht oder erst dort eine Familie geworden. Das Alter reichte unter Einschluss der Kriegsgefangenen von 7 bis 70 Lebensjahren; das ergibt einen Altersdurchschnitt von etwas über 28. Im „Reichs­einsatz“ waren auch Kinder und Jugendliche.

Unterbringung
Untergebracht waren die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Sammellagern und lager­ähnlichen Sammelunterkünften (Gaststättensälen) und auf Bauernhöfen (in einem Scheunenlager oder in der Familie). Das mit Abstand größte Lager war das sog. „Russen­lager“ am Ledigenheim in der Altenbögger Zechen­straße mit im Laufe der Zeit über 1.600 Insassen.

Arbeits- und Lebensbedingungen
Diese wurden bis in jede Einzelheit geregelt. Richtschnur war das Selbstverständnis des deutschen „Herrenmenschen“. Menschenverachtung und Unmenschlichkeit mit Ausgrenzung, Willkür, ­Schikanen, härtesten Sanktionen und Gewalt bis zur Tötung kennzeichneten den rücksichtslosen Umgang mit den Entrech­teten. Manche von den Unglücklichen fanden aber auch bei einigen ­Deutschen Mitgefühl und Hilfe und damit eine gewisse Erleichterung ihres schweren Alltagslebens.

Krankheit und Tod
Auf den örtlichen Friedhöfen findet man insgesamt 108 Einzel­gräber und 1 Gemeinschaftsgrab. Die Menschen sind eines natürlichen Todes gestorben, aber auch durch den Bombenkrieg und durch ­Arbeitsunfälle, nicht zuletzt an schwerster Mangel­ernährung und an Krankheiten und Seuchen, eine Folge unzureichender ärztlicher Versorgung und katastrophaler hygienischer Verhältnisse in den Unterkünften.
Besonders traurig und erschreckend sind Todesfälle als Folge bruta­ler alltäglicher Gewalt und Selbsttötungen aus Verzweiflung. Sie legen Zeugnis ab von der Unmenschlichkeit der Zwangsarbeit.
Besonders erschütternd ist das Schicksal vieler ­schwangerer Mütter, die im schlimmsten Fall in sog. Entbindungsheimen ­Abtreibung und Tötung ihrer ­Babys durch Vernachlässigung und Hunger erdulden mussten.